Agrarpolitik mit Corinne Mühlebach: «Wir müssen in Deutschland mit mehr Volatilität leben»
In Deutschland haben sich die Preise für Getreide in den letzten 10 Monaten verdoppelt (von 22 auf rund 40 Euro/100 kg). Warum das mitunter kuriose Blüten treibt, erklärt die Unternehmerin im Podcast.
30. Juli 2022 | Staffel 6, Episode 4
👋 Guten Morgen und Willkommen zur nächsten Folge Agrarpolitik – der Podcast.
Heute mit Corinne Mühlebach. Sie leitet gemeinsam mit ihrem Bruder in fünfter Generation die Mühlebach-Mühlen. Das KMU betreibt als einziges Unternehmen der Branche nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Deutschland eine Getreidemühle. An beiden Orten ist die Ernte gut über die Bühne. An beiden Orten begannen bereits die Vorbereitungen für das nächste Getreidejahr. Ein Gespräch über Anbaurisiken, hohe Preise und die «richtige» politische Antwort in Zeiten grosser Unsicherheit.
Schön sind Sie da🙏
p.s.: am 15. August findet unser nächstes Webinar statt. Und zwar um 17:30 Uhr, unter anderem mit Corinne Mühlebach. Mehr zum Programm in Kürze (es ist gut, versprochen!), 👉 hier können Sie sich schon Ihren Platz sichern.
p.p.s.: Unterstützen Sie den sachlichen Diskurs mit einer Spende via 👉 Paypal oder 👉 Twint. Danke!

Ernte gut, (fast) alles gut
«Die Ernte ist immer ein Highlight im Jahr», sagt Corinne Mühlebach zum Einstieg. Sie schätzt die direkten Kontakte mit den Landwirtinnen und Landwirten. Und sie ist froh und erleichtert, wenn am Ende das Getreide klassiert in den Silos liegt und alles gut gegangen ist. «Aber für uns geht die Arbeit jetzt weiter.» Damit meint sie die Vermahlung und Vermarktung des Getreides, das Erstellen der Schlussabrechnungen, die Planung für das kommende Jahr.
Treiber für hohe Preise bleiben
Die Ausgangslage dafür war schon einfacher. Beim Krieg in der Ukraine zeichnet sich keine baldige Lösung ab, Treibstoff und Energie bleiben teuer. «Das bedeutet, die Treiber für die hohen Preise dürften bleiben», sagt Mühlebach. Sie rechnet mit konstant hohen Kosten für Dünger und Energie. Die höheren Kosten führen dazu, dass auch die Mühlebach-Mühlen ihre Preise anheben müssen. «Das ist schwierig, eine ständige Gratwanderung», sagt Corinne Mühlebach.
Ihrem Team stehen schwierige Verhandlungen mit Kunden und Kundinnen in der Schweiz und Deutschland bevor. Corinne Mühlebach betreibt nämlich mit ihrem Bruder zusammen zwei Mühlen – eine im südbadischen Ettenheim (D), eine in Würenlingen AG.
Starke Schwankungen verunsichern und verleiten Landwirte zum Taktieren
«In Deutschland sind wir der Volatilität der Preise unmittelbar ausgesetzt», sagt Corinne Mühlebach auf die Frage zu den Unterschieden zwischen den beiden Standorten. Bei der Ernte 2021 lagen die Preise bei 22 Euro pro 100 Kilogramm Weizen. Im Januar 2022 lag der Preis bereits bei 30 Euro, «und mit Kriegsausbruch sind die Preise auf über 40 Euro hochgeschossen», so Mühlebach.
Diese Preissprünge macht es insbesondere für grosse Landwirtschaftsbetriebe interessant, Ware einzulagern und einen besseren Zeitpunkt für den Verkauf abzuwarten. «Für uns ist die Beschaffung die grösste Herausforderung», sagt deshalb Mühlebach. Sie fügt an: «Es war auch so, dass Landwirte nicht bereit waren, ihre Ware abzugeben.» Die Konsequenz: «wir mussten auf andere Bundesländer ausweichen.»
Auswirkungen kommen oft verzögert
Die Situation in der Schweiz ist übersichtlicher. Die Zollsenkung des BLW «hat die Preisspirale gedämpft», so Mühlebach. Ausserdem war die Ernte 2021 stark von Auswuchs betroffen und die steigenden Preise auf die schlechten Erträge zurückzuführen. «2022 sieht es anders aus: die Energie- und Düngerpreise heizen den Getreidepreis an.»
Wie stark die Energiepreise sich auf den Mehlpreis durchschlagen werden, ist derzeit noch offen. «Die Auswirkungen kommen oft zeitverzögert», sagt Mühlebach mit Blick auf die Schweizer Energiepreise. In Deutschland sei schon absehbar, dass die Energie ab nächstem Jahr das Doppelte kosten wird – «obwohl der Staat entlastend eingegriffen hat.»
Ebenso sorgt die Frage der Gasversorgung in Deutschland für sehr grosse Unsicherheit. Die Mühle in Ettenheim (D) liegt in einer Gunstlage für Mais. Allerdings: «Die Landwirte dort haben Angst, dass das Gas für die Trocknung von Mais fehlen wird.» Ob sich durch diese Angst in Kombination mit den hohen Preisen die Anbaubereitschaft für Weizen verbessert, ist jedoch noch nicht ganz absehbar.
Staatliche Interventionen können nicht alle Probleme lösen.
Die staatlichen Interventionen in Deutschland und der Schweiz unterscheiden sich stark. In Deutschland erlebe man, «das schnell etwas gemacht wird», das 9-Euro-Ticket zum Beispiel. Oder die Senkung der Mehrwertsteuer-Sätze während einem halben Jahr (das noch 2020 im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie).
In der Schweiz sorgen Grenzschutz und Richtpreissystem für Stabilität. «Wir brauchen den Grenzschutz, damit Getreide angebaut wird in der Schweiz.» sagt Mühlebach. Ausserdem habe sich bestätigt, dass die Pflichtlagerhaltung sinnvoll sei. Das heisst: Märkte können bis zu einem gewissen Grad geschützt werden. «Aber wir können sie nicht abschotten. Wir müssen die Relation wahren», sagt Corinne Mühlebach.
So viel für den Moment von uns 🙏. Danke fürs Interesse und schönes Wochenende👋.
Agrarpolitik - der Podcast
Agrarpolitik wird von vielen Menschen umgesetzt und gemacht: von Landwirtinnen und Landwirten, von Verbandsvertreterinnen und -Vertretern, vom Bundesrat, von Parlamentarierinnen und Parlamentariern.
Im Agrarpolitik-Podcast beleuchten wir die Entwicklungen, zeigen Ansprüche und Handlungsachsen. Wir fragen nach - und hören zu und machen Agrarpolitik verständlicher, zugänglicher.
Wir sind: Sie, unsere Gäste, Andreas Wyss (Gespräche), Lisa Nagy (Social Media), Louisa Wyss (Webinare) und Hansjürg Jäger (Produktion).
p.s: Hier finden Sie alle bisherigen Podcast-Folgen von Agrarpolitik - der Podcast
Create your profile
Only paid subscribers can comment on this post
Check your email
For your security, we need to re-authenticate you.
Click the link we sent to , or click here to sign in.