Agrarpolitik in der Wandelhalle: Rückblick auf die Sommersession 2022
Mehr Geld für Schweizer Wein, Vorstösse zur Ernährungssicherheit, Mikromanagement und epische Debatten zum Raumplanungsgesetz. Das war die Sommersession 2022.
18. Juni 2022 | Rückblick auf die Sommersession
👋 Guten morgen
Die Sommersession 2022 der eidgenössischen Räte ist beendet. Vieles wurde diskutiert, einiges entschieden. Schön, dass Sie da sind und viel Vergnügen mit dieser Folge ✨
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Die Resultate der agrarpolitischen Entscheide im Überblick.
Der Nationalrat:
unterstützt die Anpassung des Gesetzes über Familienzulagen in der Landwirtschaft. Damit sollen neu die Kantone die Beiträge finanzieren;
hat den Massnahmenplan zur Reduktion des Fleischkonsums nicht thematisiert, die Motion wurde zurückgezogen;
hat die Einstreu-Pflicht für Schweine abgelehnt. Die Vorstösse für ein Verbot für das Vergasen lebender Küken und für griffige Instrumente für die Oberaufsicht im Tierschutzrecht wurden zurückgezogen;
hat der Erhöhung der Absatzförderung von Schweizer Wein zugestimmt. Das Geschäft wurde kreuz und quer durch die Fraktionen unterstützt. Neu sollen 9 Mio. CHF für die Absatzförderung von Wein eingesetzt werden. Der Ständerat entscheidet als nächstes über die Entwicklung der Vorlage.
Der Rotfleischabzug bei Kälbern wurde abgelehnt und die Motion zu einer nachhaltigen Strategie Schweiz-EU angenommen.
Der Ständerat
hat die zwei Vorstösse (Munz, Strupler) angenommen, wonach die Verwertung tierischer Eiweisse und Schlachtnebenprodukte als Tierfutter wieder ermöglicht werden soll. Der Bundesrat wird jetzt die rechtlichen Anpassungen vornehmen, damit tierische Schlachtnebenprodukte als Tierfutter wiederverwendet werden können;
hat die Motion Chaos im Milchmarkt abgelehnt und befürwortet die Motion für mehr Transparenz beim Veredelungsverkehr. Die Anpassung im RAUS-Programm wurde abgelehnt. Die Motion für die freie Verfügbarkeit der RTK-Korrektursignale wurde noch nicht thematisiert;
hat die Raumplanung bestehend aus mehreren Vorstössen über mehrere Tage thematisiert. Die Teilrevision des Raumplanungsgesetzes (RPG, Geschäft 18.077) hat durch eine Neuauflage des Ständerates neuen Schwung erhalten. Der SR empfiehlt die Landschaftsinitiative zur Ablehnung (Geschäft 21.065). Die Motion zur erleichterten Nutzung ungenutzter Gebäude in der Landwirtschaftszone wurde angenommen (Geschäft 11.3285). Die Motion, die auf jedem landwirtschaftlichen Gewerbe mit Tierhaltung ein Wohnhaus ermöglichen will, wurde abgelehnt (Geschäft 15.3997). Das Geschäft zur Änderung des RPG Artikel 24c wurde abgelehnt (Geschäft 16.3697). Die Motion, die den Bau von Gewächshäusern auf Fruchtfolgeflächen vereinfachen möchte, wurde abgelehnt (Geschäft 17.3918).
Ausserdem hat der Ständerat einstimmig entschieden, Forschung für moderne Alpwirtschaft zu fördern und dem Hörnerfranken als Tierwohlbeitrag zugestimmt. Beim Hörnerfranken geht das Geschäft an den Nationalrat. Ebenso hat der Ständerat dem Vorschlag zugestimmt, umweltschonende landwirtschaftliche Maschinen und Verfahren finanziell zu unterstützen.
Viele Emotionen und lange Debatten über Änderungen des Raumplanungsgesetz
Bereits 2019 wurde die Diskussion zur Änderung des Raumplanungsgesetz (RPG) gestartet. Nachdem die Diskussion damals vom Nationalrat auf Eis gelegt wurde, hat sie der Ständerat nun drei Jahre später wieder aufgenommen. Die kleine Kammer will das Bauen ausserhalb der Bauzone neu regeln. Sie hat Schwung in die Debatte gebracht, indem der Vorschlag des Bundesrats abgeändert wurde.
Der Grund für das Wiedererwecken der Debatte ist die anstehende Landschaftsinitiative. Diese wird bis jetzt vom Ständerat und Bundesrat zur Ablehnung empfohlen. Die Revision des RPG wird jetzt von der Initiative vorangetrieben.
Eine Herausforderung der Revision des RPGs ist die Vielfalt der Besiedelungsstrukturen. Diese macht es schwierig eine Lösung auf Bundesebene zu finden, die für alle funktioniert. Es wird spannend zu sehen, wie sich die Kantone zu dem Paket positionieren und eventuell kantonale Lösungen vorschlagen.
Mikromanagement auf Bundesebene
Sowohl in der Revision des Raumplanungsgesetz, aber auch anderen agrarpolitischen Themen wird die Tendenz deutlich, auf politischer Ebene Mikromanagement zu betreiben. Vorstösse basieren auf Einzelfällen und sorgen immer mal wieder für Blockaden und können bei Annahme andere Entwicklungen blockieren.
Ein kleiner Trost bleibt: auch die Vorstösse, die auf den ersten Blick unsinnig erscheinen, erfüllen eine wichtige Funktion. Sie machen Interessen sichtbar und integrieren diese in den politischen Diskurs. Und das ist ein wichtiger Erfolgsfaktor für politische System
Ein Problem von Mikromanagement ist, dass es aufgrund von vielen Regelungen zu einem hohen Grad an Komplexität führt, was sowohl für Politiker:innen als auch Landwirt:innen erschwerend sein kann.Soviel für den Moment von uns. 🙏 Danke fürs Interesse, schönes Wochenende 👋 und frohes Podcast-Hören 😀.
P.s.: Nächste Woche geht es weiter mit der sechsten Staffel und den Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine auf die Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft und ihrer Politik.
Agrarpolitik - der Podcast aus der Wandelhalle
Die Uhren in Bern ticken anders. Schneller, sagen die einen. Langsamer, finden die anderen. Agrarpolitik - der Podcast aus der Wandelhalle ergänzt Agrarpolitik - der Podcast um ein Sonderformat rund um die Sessionen der eidgenössischen Räte. Wir geben einen Ausblick auf die Session und fassen die wichtigsten Geschäfte am Ende zusammen. Wir zeigen Argumentationsstränge, Entscheidungen und ordnen diese so gut es geht ein. Unser Anspruch: Ihnen einen agrarpolitischen Überblick über die Session schaffen. Wir sind: Sie, Andreas Wyss (Moderation), Lisa Nagy (Social Media), Louisa Wyss (Webinare/Recherche) und Hansjürg Jäger (Produktion).
p.s: Hier finden Sie alle bisherigen Podcast-Folgen von Agrarpolitik - der Podcast.
Mehr dazu finden Sie im Buch “Warum Nationen scheitern.”
Besten Dank - wirklich gute Zusammenfassung