Agrarpolitik - der Podcast

Share this post

Agrarpolitik mit Martijn Sonnevelt: «Wir müssen langfristige Perspektiven vermitteln»

www.agrarpolitik-podcast.ch

Agrarpolitik mit Martijn Sonnevelt: «Wir müssen langfristige Perspektiven vermitteln»

Pandemie, Klimawandel und Logistik-Probleme sorgen für Anspannung auf den Rohstoffmärkten. Der Krieg in der Ukraine verschärft die Situation zusätzlich. Ein Gespräch mit Martijn Sonnevelt.

Redaktion
May 14, 2022
Share this post

Agrarpolitik mit Martijn Sonnevelt: «Wir müssen langfristige Perspektiven vermitteln»

www.agrarpolitik-podcast.ch

14. Mai 2022 | Staffel 6, Folge 1

👋 Guten Morgen und willkommen zur sechsten Staffel Agrarpolitik – der Podcast ✨

Der Krieg in der Kornkammer Europas sorgt für Unsicherheit auf den Rohstoffmärkten und ersten politischen Reaktionen. In der sechsten Staffel widmen wir uns deshalb den Agrarmärkten und der Politik und der Frage, wie der Krieg die Diskussion beeinflusst.

Zum Auftakt verschaffen wir uns mit Martijn Sonnevelt einen Überblick. Der Agrarökonom ist Präsident des Schweizer FAO-Komitees und seit 2017 Geschäftsführer des World Food System Centers der ETH Zürich und sagt, dass die Agrarpolitik langfristige Perspektiven vermitteln muss.

Schön, sind Sie da 🤩 - hier können Sie den Podcast hören, unten finden Sie die wichtigsten Aussagen 🗨.

Share

🤫 Unsere Arbeit können Sie einer Spende via Paypal unterstützen.

Hier Podcast mit Martijn Sonnevelt hören

Der Krieg kam überraschend, die angespannte Lage auf den Agrarmärkten hat sich abgezeichnet.

Angespannte Lage und ein Krieg in der Kornkammer der Welt

Denn die Pandemie hinterliess Spuren im globalen Ernährungssystem

1
. Die Unterbrüche in der globalen Logistik-Kette verlängern Lieferzeiten und reduzieren die Verfügbarkeit von Produkten. Der Klimawandel macht die Produktion von Lebensmittel grundsätzlich anspruchsvoller, die Energiepreise sind schon im Herbst gestiegen. «All das führt schon zu einer Situation, die den Markt stresst. Und jetzt kommt noch ein Konflikt in der Kornkammer der Welt.»

Hier Podcast mit Martijn Sonnevelt hören

Bessere Informationen für mehr Transparenz und überlegtere Entscheide

Dass die globalen Preise für Lebensmittel volatil sind, liegt laut Martijn Sonnevelt unter anderem an der Marktkonzentration. Es sind nämlich nur wenig Länder, die grosse Mengen exportieren oder global bedeutende Lager betreiben. Selbst die Weltlandwirtschaftsorganisation FAO weiss nicht ganz genau, wie gross die Lagerbestände sind. «Wir gehen davon aus, dass China und Indien grössere Lager haben als 2008», sagt Sonnevelt

2
. Nach 2008 wurde das Agricultural Markets Information System entwickelt. Es verbessert die Markttransparenz und erlaubt die bessere Abschätzung der Preisentwicklung.

«Ich würde deshalb sagen, wir sind in einer Nahrungskrise»

Die Statistiken zeigen stark steigende Lebensmittelpreise. «Ich würde deshalb sagen, wir sind in einer Nahrungskrise», so Sonnevelt. Einerseits liegt der Preisindex des International Grain Councils für Ölsaaten und Getreide derzeit bei 350 (Basis 100 wurde im Jahr 2000 gelegt; 2008 lag der Index bei 312). Andererseits warnt das Welternährungsprogramm WFP der Vereinten Nationen davor, dass die Zahl der akut unterversorgten Menschen aufgrund der Preissteigerung wächst

3
.

Hier Podcast mit Martijn Sonnevelt hören

Situation beobachten, strategisch handeln

Die Versorgung der Schweiz ist laut Martijn Sonnevelt kurzfristig gesichert. Inputs wie Dünger konnten beschafft werden, bevor die Preise durch die Decke gingen. Die Wirkung der Preissteigerung unterscheidet sich ausserdem. In der Schweiz ist sie weniger dramatisch als in Ländern, wo Menschen 40 und mehr Prozent des Einkommens für Lebensmittel ausgegeben werden

4
.

Allerdings: «man muss die Situation laufend neu beurteilen und für die zweite Jahreshälfte allenfalls über Massnahmen nachdenken.» Die grosse Frage sei, wie stark Produzent*innen auf die stark veränderten Preise reagieren und wie sie ihre Produktion anpassen. Denn das Zusammenspiel zwischen Klima, Flächenverfügbarkeit, Preisprognosen und Preisen für Vorleistungen wird auch dieses Jahr die Anbauentscheidungen beeinflussen.

«Wir müssen der Versuchung widerstehen, zu kurzfristig zu denken»

Die Land- und Ernährungswirtschaft kann ihre Abhängigkeit auf den globalen Märkten reduzieren. Allerdings «ist unsere Nachfrage global betrachtet nicht der entscheidende Hebel», sagt Sonnevelt. Die Diskussion um den Selbstversorgungsgrad ist ausserdem überzeichnet. «Ich würde vielmehr dafür plädieren, dass das World Food Programme die Mittel an die Hand bekommt, um akute Hungerssituationen zu bekämpfen und das wir für mehr Transparenz sorgen», sagt Sonnevelt.

Share

Sonnevelt plädiert dafür, die grundsätzliche Ausrichtung der Agrarpolitik sorgfältig zu prüfen. Kurzfristige Anpassungen bergen das Risiko von negativen Nebeneffekten, unüberlegtes Handeln kann Kollateralschäden verursachen. «Die Diskussion, was in der langfristigen Perspektive wichtig ist, ist zum aktuellen Zeitpunkt aber richtig», so Sonnevelt.

Leave a comment

Soviel für den Moment von uns. 🙏 Danke fürs Interesse und schönes Wochenende 👋.


Agrarpolitik - der Podcast 🎙

Agrarpolitik wird von vielen Menschen umgesetzt und gemacht: von Landwirtinnen und Landwirten, von Verbandsvertreterinnen und -Vertretern, vom Bundesrat, von Parlamentarierinnen und Parlamentariern.

Im Agrarpolitik-Podcast beleuchten wir die Entwicklungen, zeigen Ansprüche und Handlungsachsen. Wir fragen nach - und hören zu und machen Agrarpolitik verständlicher, zugänglicher.

Wir sind: Sie, unsere Gäste, Andreas Wyss (Gespräche), Lisa Nagy (Social Media), Louisa Wyss (Webinare) und Hansjürg Jäger (Produktion).

Share Agrarpolitik - der Podcast

p.s: Hier finden Sie alle bisherigen Podcast-Folgen von Agrarpolitik - der Podcast.

1

Siehe dazu auch diese OECD-Studie.

2

Dieser Artikel der Republik zeigt schön die Entwicklung der Preise.

3

Das WFP zeigt im aktuellen Bericht zu Ernährungskrisen ein erdrückendes Bild: 2021 waren 193 Millionen Menschen von akutem Hunger aufgrund von Krisen betroffen. Das sind 40 Millionen mehr als 2020. Gleichzeitig steigt die globale Kalorienproduktion. Pro Person und Tag sind rund 2900 kcal verfügbar. Notwendig sind irgendwo 2200 bis 2500 kcal pro Tag.

4

Die Übersicht von Our World in Data.

Share this post

Agrarpolitik mit Martijn Sonnevelt: «Wir müssen langfristige Perspektiven vermitteln»

www.agrarpolitik-podcast.ch
Comments
TopNewCommunity

No posts

Ready for more?

© 2023 Agrarpolitik-Podcast
Privacy ∙ Terms ∙ Collection notice
Start WritingGet the app
Substack is the home for great writing