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Spezial-Newsletter II: Die Ukraine, die Schweiz und ihre Agrarpolitik

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Spezial-Newsletter II: Die Ukraine, die Schweiz und ihre Agrarpolitik

Kein Podcast, dafür heute ein Überblick über den Verlauf der agrarpolitischen Debatte in den letzten drei Wochen und eine kurze Einordnung.

Redaktion
Apr 9, 2022
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Spezial-Newsletter II: Die Ukraine, die Schweiz und ihre Agrarpolitik

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9. April 2022 | Spezial-Newsletter II

👋 Guten Morgen

Der Krieg in der Ukraine geht weiter😭😢 - und seit unserem letzten (und ersten) Spezial-Newsletter hat die agrarpolitische Debatte in der Schweiz an Dynamik gewonnen. Deshalb heute kein Podcast, dafür ein Überblick über die Diskussion in der Schweiz. Schön, dass Sie da sind, trotz den düsteren Zeiten✨.

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Getreideernte im grossen Stil, irgendwo auf der Welt. Photo by Darla Hueske on Unsplash

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Plan Wahlen 2.0, Verordnungen und Weiterentwicklung: Was in den letzten 3 Wochen auffiel

In der Frühlingssession wurden in der zweiten Woche mehrere agrarpolitische Vorstösse mit Bezug zum Krieg in der Ukraine eingereicht (Sie finden eine Übersicht in unserem letzten Spezial-Newsletter).

Am 13. März forderte die SVP per Medienmitteilung einen Plan Wahlen 2.0. Der Bundesrat soll der Versorgungssicherheit alles unterordnen und den Selbstversorgungsgrad “zeitnahe und massiv zu erhöhen”. Die SVP verlangt eine “möglichst hohe Produktion von Nahrungs- und Futtermitteln im Inland” und die Überprüfung der Pflichtlager. Den Ressourcenschutz in der Land- und Ernährungswirtschaft sieht die SVP als “ideologische links-grüne Agrar- und Öko-Projekte”, die es zu sistieren gelte.

Am 14. März beantwortete der Bundesrat die Vorstösse in der Fragestunde. Er stellt in Aussicht, die Ziele und Massnahmen zur Aufrechterhaltung des Selbstversorgungsgrades im Bericht in Erfüllung der Postulate 20.3931 und 21.3015 "Künftige Ausrichtung der Agrarpolitik” darzulegen. Von einer grundsätzlichen Neuausrichtung der Agrarpolitik möchte die Regierung aber absehen.

Die Agrarallianz hält am 16. März in einer Medienmitteilung fest, dass die Versorgung der Schweiz nur mit Blick auf die globalen Herausforderungen zu sichern sei. Ziel müsse sein, Ackerflächen langfristig zu erhalten und für die menschliche Ernährung zu nutzen, schreibt das Bündnis von 20 Organisationen von der Heu- bis zur Essgabel.

Auch am 16. März publiziert “Die Grüne” ein Editorial unter dem Titel: “Der SVP-”Plan Wahlen 2.0” zäumt das Pferd von hinten auf”. Damit Versorgung in Krisenzeiten gesichert sei, müsse die Abhängigkeit von ausländischem Saatgut, ausländischem Dünger und ausländischen Pflanzenschutzmitteln verringert und Food Waste reduziert werden, so der Chefredaktor.

Die NZZ geht am 20. März in einem hervorragend recherchierten und aufbereiteten Bericht der Frage nach, was der Krieg für den globalen Lebensmittelmarkt bedeutet. Der Artikel beleuchtet das Verhältnis der UkrainerInnen zu ihrem Boden, die Eigenschaften der Schwarzerde, aber auch die Rolle der Ukraine als Lieferant für das World Food Programme der Uno.

Am 28. März vermeldet die BauernZeitung eine neue Info-Website des Bundesamtes für Landwirtschaft zu Zahlen zu Importen von Dünger- und Futtermitteln. Das BLW hat dabei die wichtigsten Fragen und Antworten in Bezug auf die Versorgung zusammengestellt.

Am 30. März publizieren IP Suisse und Bio Suisse eine gemeinsame Medienmitteilung unter dem Titel: “Produktion und Ökologie sind auch in Krisenzeiten untrennbar”. Die beiden Verbände weisen darauf hin, dass mehr Ernährungssicherheit und Resilienz nur mit nachhaltigen Systemen möglich seien. Die Debatten um Anbauschlacht und Selbstversorgungsgrad seien dafür aber nicht zielführend, da sie einen künstlichen Gegensatz zwischen Produktion und Erhaltung der natürlichen Ressourcen schaffen.

Der Bauernverband hält am 4. April in einem Standpunkt fest, dass Versorgungssicherheit plötzlich wieder ein Thema ist. Der Dachverband der Schweizer Landwirtschaft nimmt die Entwicklung zum Anlass, die im Massnahmenplan sauberes Trinkwasser geplanten Massnahmen zu kritisieren. Namentlich die geplanten 3,5 Prozent Biodiversitätsförderflächen auf offenem Ackerland, die Reduktion der Nährstoffüberschüsse um 20% haben einen schweren Stand. Ebenso wird der Wegfall der 10-Prozent-Toleranzgrenze bei der Suisse-Bilanz erneut zur Diskussion gestellt. Der SBV betont, dass das Potenzial in der Schweiz genutzt und die “aktuelle, nachhaltige Lebensmittelproduktion im Inland” erhalten und gestärkt werden müsse.

Die Agrarallianz beleuchtet am 5. April mögliche Lösungswege und kommt zum Schluss, dass der Krise nur mit einem Mix an Massnahmen beizukommen ist und schlägt dafür vor, den Absenkpfad Nährstoffe ambitioniert umzusetzen, die Zusammenarbeit von der Heu- bis zur Essgabel zu stärken und die Agrarpolitik von Fehlanreizen zu befreien.

SVP-Nationalrätin Esther Friedli wiederholt am 7. April in einem Editorial der Parteizeitung die Forderung, wonach der Fokus der Schweizer Landwirtschaft wieder auf die Produktion von Nahrungsmittel zu legen sei. Und sie verlangt, dass die Biodiversitätsförderflächen auf Ackerland nicht noch ausgeweitet wird und dass die Reduktion der Nährstoffüberschüsse “auf maximal 10 Prozent” festgelegt werden dürfe.

Versorgung und Budget sind gesichert - dank Ökomassnahmen

Die Übersicht ist weder abschliessend noch vollständig, zahlreiche weitere Artikel beleuchten die Entwicklung auf nationaler wie internationaler Ebene.

Sie zeigt jedoch gut, wie kleinteilig und kleingeistig die agrarpolitische Diskussion zuweilen geführt wird. Die SVP bedient sich dem Trumpschen Politikstil, blendet die Rolle des Konsums aus und fordert die Ausdehnung der Produktion, obwohl wir in der Schweiz seit den 1960er-Jahren pro Person und Tag rund 3500 Kilokalorien zur Verfügung haben; notwendig wären 2000 bis 2500. Die progressiveren Kräfte derweil betonen die Notwendigkeit der nächsten Schritte und der Weiterentwicklung angesichts der Krise.

Ein Grund für die deutliche und laute Abgrenzung der verschiedenen Parteien sind die geringen inhaltlichen Differenzen. So sieht auch die SVP ein, dass eine Absenkung der Nährstoffüberschüsse notwendig ist; Budgetkürzungen (auch für Ökologische Massnahmen) in der Landwirtschaft werden im Parlament zuverlässig abgelehnt, von einer links-grünen Mehrheit ist dasselbe Parlament nach wie vor weit entfernt. Mehr noch: es sind gerade die Ökomassnahmen der leistungsorientierten Direktzahlungen, die wesentlich zur politischen Akzeptanz der Agrarpolitik beitragen. Selbst langfristig sind sich die verschiedenen Parteien erstaunlich einig: gesunde Lebensmittel aus nachhaltiger Produktion sollen ins Ladenregal und auf den Teller kommen.

Diskutiert wird die Rolle der Politik. Diese Debatte folgt dem Motto “Energy flows, where attention goes” - was interessanterweise dazu führt, dass sich alle auf dem Schlachtfeld der inhaltlich wenig überzeugenden Forderungen der SVP wiederfinden. Selbst wenn die grösste Partei der Schweiz in einer Führungskrise steckt, und das Gespür für das Volk verliert, gelingt es ihr, Aufmerksamkeit zu binden und so die Debatte zu prägen. Das gilt auch für diesen Newsletter.

Allerdings ändert sich nichts an den grundsätzlichen Herausforderungen: die Abhängigkeit von importierten Futtermitteln, von importierten Düngemitteln, von fossilen Energieträgern ganz allgemein ist in der Landwirtschaft hoch. Die Komplexität der agrarischen Regulierung ist ebenso gross wie verwirrend. Food Waste und Nährstoffeinträge in sensible Ökosysteme müssen reduziert werden. Hinzu kommt: Die Volksgesundheit Hierzulande ist wie in vielen Industrieländern schlecht, die Gesundheitskosten hoch. In der Schweiz betragen sie insgesamt 82 Milliarden Franken. Rund zwei Drittel davon werden von nichtübertragbaren Krankheiten versursacht, die zu einem guten Teil auf falsche Ernährungsgewohnheiten und zu wenig Bewegung zurückgeführt werden können.

Es ist also genug Arbeit für alle da, die einen Beitrag zu einem gesünderen und nachhaltigeren Ernährungssystem leisten wollen.

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Soviel für den Moment von uns. 🙏 Danke fürs Interesse und schönes Wochenende 👋.


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Agrarpolitik wird von vielen Menschen umgesetzt und gemacht: von Landwirtinnen und Landwirten, von Verbandsvertreterinnen und -Vertretern, vom Bundesrat, von Parlamentarierinnen und Parlamentariern.

Im Agrarpolitik-Podcast beleuchten wir die Entwicklungen, zeigen Ansprüche und Handlungsachsen. Wir fragen nach - und hören zu und machen Agrarpolitik verständlich. Und wir schreiben hin und wieder Newsletter zu aktuellen Themen.

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p.s: Hier finden Sie alle bisherigen Podcast-Folgen von Agrarpolitik - der Podcast.

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